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Ausgleich zwischen
Grundstücksnachbarn für Schäden,
die durch das Umstürzen eines Grenzbaums verursacht wurden
Der u. a. für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat über die Verpflichtung eines Grundstückseigentümers zum Ersatz
von Schäden, die dem Nachbarn durch das Umfallen eines auf der gemeinsamen
Grundstücksgrenze stehenden Baumes entstanden sind, entschieden.
Die Parteien sind (Mit-)Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest teilweise auf der
Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte
Belaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm
der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der Ehemann
der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote
Holz fachmännisch entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der
Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Beklagten.
Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das Wohnhaus
der Klägerin erheblich. Diese verlangt von der Beklagten Schadensersatz; sie meint, die
Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen.
Das Landgericht hat die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7.278,08
nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die
Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, ist zurückgewiesen worden.
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Senat hat zunächst die
Eigentumsverhältnisse an dem Grenzbaum abweichend von dem Berufungsgericht, welches
Miteigentum angenommen hat, dahingehend beurteilt, daß vertikal geteiltes Eigentum
besteht. Das hat zur Folge, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes
gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet. Als Eigentümer eines Teils des Baumes
waren die Beklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang
verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden
Baum. Deshalb seien sie u. a. verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen auf
Krankheitsbefall zu überwachen und bei Anzeichen für eine besondere Gefahr wie z. B.
trockenes Laub, dürre Äste und Pilzbefall untersuchen zu lassen. Dabei wäre die
mangelnde Standfestigkeit des Baumes erkannt worden; es hätten rechtzeitig geeignete
Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen ergriffen werden können. Indem die Beklagte
und ihr Ehemann das trotz der auch auf der ihnen gehörenden Seite erkennbaren Erkrankung
des Baumes unterlassen haben, haben sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks mit zu
verantworten.
Allerdings hat der Senat auch der Klägerin vorgeworfen, daß sie den erkennbaren
Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden Teil des Baumes keine Beachtung geschenkt und
damit letztlich ebenfalls die Beschädigung ihres Wohnhauses in Kauf genommen hat. Deshalb
trifft sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden, deren Umfang nach § 254
BGB zu beurteilen ist. Im Rahmen dieser Vorschrift geht es um einen Verstoß gegen Gebote
der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden
Obliegenheit; sie beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer
acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu
bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muß, weil es im
Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, daß jemand für den
von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert.
Da das Maß der Verursachung, in dem die Beteiligten zur Entstehung des Schadens
beigetragen haben, und der beiderseitige Verschuldensanteil gleich hoch zu bewerten sind,
hat der Senat eine Schadensteilung vorgenommen und der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz
der Hälfte des Schadens zugesprochen.
Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04
Karlsruhe, den 2. Juli 2004
Pressestelle des Bundesgerichtshofs - www.bundesgerichtshof.de
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