|
Kiefern in Nachbars Garten
Der u.a. für das Nachbarrrecht zuständige V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hat über die Ansprüche eines Eigentümers wegen Beeinträchtigungen
seines Grundstücks durch Kiefern auf dem Nachbargrundstück entschieden.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen nahe der
Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die bei Klageerhebung ca. 14 m hoch waren. Von einem
der Bäume ragten Zweige in einer Höhe von ca. 9 m ungefähr 2,3 m, von dem
anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca. 5 m ungefähr 0,4 m auf das
Grundstück des Klägers herüber; auch fallen Kiefernnadeln und -zapfen auf sein
Grundstück.
Der Kläger behauptet, daß er wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die
Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr
säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich verschließen
müssen.
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden und Halten der Kiefern
auf einer bestimmten Höhe und zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden
Zweige beantragt; weiter hat er von den Beklagten die Zahlung eines jährlichen
Ausgleichsbetrags von 204,52 EUR für den zusätzlichen Reinigungsaufwand verlangt.
Das Amtsgericht hat die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern durch jährliches
Zurückschneiden auf einer Höhe von 14 m zu halten, festgestellt; weiter hat es die
Beklagten zur Beseitigung der von einem der Bäume in ca. 9 m Höhe auf das
Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige verurteilt. Im übrigen hat es die Klage
abgewiesen.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Beklagten hat
insoweit Erfolg gehabt, als das Landgericht die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern
jährlich zurückzuschneiden, aufgehoben hat.
Die Revision des Klägers war nur teilweise erfolgreich. Nach der Entscheidung des V.
Zivilsenats können Grundstückseigentümer von ihren Nachbarn das Zurückschneiden von
Bäumen, die wegen ihrer Höhe den landesrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand nicht
einhalten, grundsätzlich nicht mehr verlangen, wenn die dafür in den
Landesnachbarrechtsgesetzen vorgesehene Ausschlußfrist abgelaufen ist. Allerdings komme
unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses eine Verpflichtung
des Nachbarn in Betracht, die Bäume auch nach dem Fristablauf zurückzuschneiden, wenn
ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden
Interessen geboten erscheine. Auch könne der Eigentümer nach dem Ablauf der
Ausschlußfrist nicht zu duldende Einwirkungen auf sein Grundstück, selbst wenn sie auf
dem weiteren Höhenwachstum der Bäume beruhten, nach §§ 906, 1004 BGB abwehren.
Die Beseitigung herüberragender Zweige könne der Eigentümer nur verlangen, wenn sie die
Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigten. Wegen des Abfallens von Kiefernnadeln und
-zapfen auf sein Grundstück könne der Eigentümer einen nachbarrechtlichen
Ausgleichsanspruch haben. Der Nadel- und Zapfenfall gehöre ebenso wie der Laub- und
Blütenfall zu den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne von § 906
Abs. 1 Satz 1 BGB. Dafür sei der Nachbar als "Störer" im Sinne des
§ 1004 Abs. 1 BGB allerdings nur verantwortlich, wenn sich die Nutzung seines
Grundstücks nicht im Rahmen ordnungsmäßiger Bewirtschaftung halte. In diesem Fall
müsse der benachbarte Grundstückseigentümer daraus folgende Einwirkungen auf sein
Grundstück, die dessen Benutzung wesentlich beeinträchtigten, nicht dulden; könne er
sie jedoch aus besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abwehren, stehe
ihm ein Ausgleichsanspruch in Geld zu, wenn er durch die Einwirkungen Nachteile erleide,
die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung
übersteige.
In dem konkreten Fall hat der V. Zivilsenat die Revision des Klägers zurückgewiesen,
soweit er mit dem Rechtsmittel sein Ziel weiterverfolgt hat, die Beklagten zum
Zurückschneiden der Kiefern und zum Abschneiden des in ca. 5 m Höhe ungefähr
0,4 m auf sein Grundstück herüberragenden Astes zu verpflichten. Dagegen hat er das
Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als der Antrag des Klägers auf Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags abgewiesen worden ist. Im Umfang der
Aufhebung hat er die Sache zur neuen Entscheidung und Verhandlung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen. Es muß nun aufklären, ob die Kiefernnadeln die Dachrinnen und
Dacheinläufe des Hauses des Klägers verstopfen und das Verschließen des Gartenteichs
notwendig gemacht haben. Falls das zutrifft, muß das Berufungsgericht abwägen, ob der
Kläger das entschädigungslos hinzunehmen hat.
Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 -
Karlsruhe, den 14. November 2003
Pressestelle des Bundesgerichtshofs - www.bundesgerichtshof.de
76125 Karlsruhe
mehr zum Thema: Siehe unten! |