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Nachbarschaftsrecht: Was ist
erlaubt? Schwäbisch Hall, 22. Januar 2004 - Der
"Maschendrahtzaun" schaffte es sogar an die Spitze der Charts. Stefan Raabs
Nummer-Eins-Hit machte ein Thema zur Lachnummer, bei dem vielen Eigenheimbesitzern das
Lachen vergeht: Streitigkeiten unter Nachbarn werden oft verbissen und unnachgiebig
geführt, Tausende von Fällen beschäftigen jedes Jahr die Gerichte. Das Bürgerliche
Gesetzbuch (BGB) enthält nur relativ wenige grundsätzliche Regelungen zum
Nachbarschaftsrecht, etwa zum Dauerstreitthema "Immissionen vom
Nachbargrundstück" (Gerüche und Geräusche). Die meisten Bundesländer haben daher
das BGB ergänzende Landesnachbarrechtsgesetze erlassen, deren Vorschriften meist deutlich
konkreter sind. Darüber hinaus können auch die Kommunen Vorschriften und Satzungen
beschließen, die für den Einzelfall maßgeblich sind. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall
hat wichtige Grundsatzregelungen und aktuelle Gerichtsurteile zu den häufigsten
Streitpunkten zusammengefasst.
Ob überhaupt ein Maschendrahtzaun sein muss ("Einfriedungspflicht") und welche
Anforderungen die Grundstücksabgrenzung sonst noch erfüllen muss, steht im jeweiligen
Nachbarrechtsgesetz. Bauherren sollten sich außerdem schlau machen, was als
"ortsüblich" gilt.
Von der Grundstücksgrenze ist es meist nicht weit zu Bäumen und Sträuchern - oft nicht
weit genug. Faustregel für "Gartenarchitekten": Je stärker sich Bäume und
Sträucher später ausbreiten, desto weiter sollten Sie von Nachbars Garten entfernt
angepflanzt werden - ein halber Meter Mindestabstand ist meistens vorgeschrieben.
Erst zum Schlichter, dann zum
Richter
Wachsen Zweige über den Nachbarzaun hinaus oder schießen Bäume und Sträucher so in die
Höhe, dass sie dem Nachbarn Licht und Sicht nehmen, gibt's häufig Streit. Aber selbst
wegen in den Nachbargarten fallender Blätter oder Früchte, ziehen zerstrittene
Eigenheimbesitzer nicht selten vor den Kadi. Um der Dauerüberlastung der Gerichte durch
streitsüchtige Nachbarn einen Riegel vorzuschieben, gilt: erst zum Schlichter, dann zum
Richter. Jedenfalls haben die meisten Bundesländer verbindlich vorgeschrieben, dass erst
dann ein Richter entscheiden muss, ob z.B. Laub von Nachbars Baum im eigenen Swimmingpool
eine "unzumutbare Belastung" darstellt, wenn eine außergerichtliche
Schlichtungsstelle bescheinigt, dass der Versuch gescheitert ist, die Streitigkeiten
gütlich beizulegen. Definitiv keine Lösung: Wer zur Selbstjustiz greift und
beispielsweise überhängende Äste eigenhändig absägt, ist (fast) immer im Unrecht.
Höchstens fünf Grillabende
im Jahr
Die häufigsten Streitpunkte unter Nachbarn sind Lärm und Geruch. So kann der Hungrigste
nicht in Frieden grillen, wenn es dem genervten Nachbarn nicht gefällt. Im Prinzip
dürfen Sie im eigenen Garten zwar den Holzkohlegrill anfeuern, so oft Sie wollen. Fühlt
sich ein Nachbar dadurch allerdings nachhaltig gestört, kann das Grillvergnügen
gerichtlich eingeschränkt werden, z.B. in Bayern vom Bayerischen Oberlandesgericht auf
höchstens fünfmal im Jahr (Az.: 2 Z BR 6/99). Allerdings ist die Rechtsprechung in
dieser Frage nicht einheitlich. Im Unterschied zur gesetzlich geschützten Nachtruhe: Ab
22 Uhr ist grundsätzlich überall Schluss mit lustig.
Selbst von Zigarettenrauch, der vom Nachbarbalkon herüberwehte, fühlte sich mancher
schon so belästigt, dass er ein gerichtliches Rauchverbot erzwingen wollte. Geht nicht,
sagte das Amtsgericht Bonn: Rauchen auf dem Balkon kann man nicht verbieten (Az.: 6 C
510/98).
Auch Umweltbewusstsein stinkt manchem: Wen die Geruchsentwicklung des nachbarlichen
Komposthaufens stört, könnte mit einer Klage Erfolg haben. Muss er aber nicht: Da die
gesetzlichen Regelungen zum Nachbarrecht meistens relativ abstrakt formuliert sind, muss
eine richterliche Instanz jeweils im Einzelfall entscheiden, was "unzumutbar"
ist bzw. was als "üblich" oder "unvermeidlich" geduldet werden muss.
Rasenmähen: Sonntags nie
Eindeutiger ist die Rechtslage beim häufigen Streitthema Rasenmähen. Motorbetriebene
Rasenmäher dürfen nur werktags zwischen 7 und 19 Uhr benutzt werden, leise Geräte
(unter 88 Dezibel) auch bis 22 Uhr. Sonn- und Feiertage sind nach der bundesweiten
Lärmverordnung grundsätzlich "rasenmäherfreie Zone". Die Kommunen können
diese Richtlinien allerdings noch verschärfen. Deshalb lieber erst mal beim Ordnungsamt
der eigenen Gemeinde fragen, ehe man sich deswegen mit dem Nachbarn anlegt.
Aber bitte piano:
Klavierspielen erlaubt
Wer in einem Mietshaus oder einer Eigentumswohnanlage wohnt, hat zwar in der Regel keinen
Rasen zu mähen, aber umso mehr Rücksicht auf lärmempfindliche Nachbarn zu nehmen. Was
aber nicht heißt, das etwa begeisterte Hobbypianisten gänzlich auf ihre Passion
verzichten müssen. Der Bundesgerichtshof hat grundsätzlich geklärt: Von 8-12 Uhr sowie
von 14-20 Uhr ist Singen und Musizieren in den heimischen vier Wänden auch dann erlaubt,
wenn es die Nachbarn hören können (Az.: V ZB 11/98). Allerdings nicht in jeder
beliebigen Lautstärke: Proben einer Rockband in der Nachbarwohnung etwa muss niemand
dulden. Und: Wann genau die Mittagsruhe einzuhalten ist, regelt üblicherweise die
Hausordnung (also z.B. 13-15 statt 12-14 Uhr).
An die Hausruhezeiten muss sich auch halten, wer mit Hammer und Bohrmaschine hantiert.
Gelegentliches Hämmern und Bohren - wie sie etwa zum Aufstellen eines Regals oder beim
Renovieren unvermeidlich sind - kann man nicht verbieten, eine regelmäßig benutzte
Hobby-Werkstatt dagegen muss man in der Regel nicht dulden.
Auch bei der Hundehaltung gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Gelegentliches
Bellen liegt in der Natur der vierbeinigen Mitbewohner und lässt sich nicht per
Gerichtsbeschluss abstellen. Ununterbrochenes Hundebellen bei Tag und Nacht dagegen wertet
nicht nur das Amtsgericht Köln als unzumutbare Belästigung (Az.: 130 C 275/00). Unter
diesen Umständen kann die Haltung eines bestimmten Tieres auch gerichtlich untersagt
werden.
Kinderlärm kann man nicht
verbieten
Bei Kindern dagegen sind sich alle Richter einig: Sie dürfen laut sein und draußen
ebenso spielen wie drinnen - nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf sogar
während der in der Hausordnung geregelten Mittagsruhe (Az.: U 51/95). Einen Schritt
weiter ging das Amtsgericht Hamburg-Altona: Die Unterlassung von Kinderlärm könne man
grundsätzlich nicht verlangen (Az.: 316 C 510/01).
Quelle: www.schwaebisch-hall.de
Beispielhafte Entscheidungen zum Streitthema: Grundstücksgrenze und Garten
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